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List Forum 1/2020

Berthold U. Wigger, Dominik H. Zimmermann: Öffentlich-private Partnerschaften und kommunale Verschuldung

Der vorliegende Beitrag untersucht, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Verschuldung einer Kommune und ihrer Neigung, Infrastrukturprojekte in Form von Öffentlich-privaten Partnerschaften zu realisieren. Ähnlich wie Kredite verschieben Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) Zahlungsverpflichtungen der öffentlichen Hand in die Zukunft. Gelegentlich wird deshalb argumentiert, dass Gebietskörperschaften ÖPP dazu missbrauchen, das tatsächliche Ausmaß öffentlicher Verschuldung zu verschleiern. Kommunen, die das Verschuldungsinstrument bereits intensiv genutzt haben, sollten dann eine höhere ÖPP-Neigung aufweisen. Der vorliegende Beitrag findet dafür keine belastbare Evidenz. Mit Hilfe von Daten des Landes Nordrhein-Westfalen findet der Beitrag zwar, dass Kommunen mit ÖPP auch eine höhere Verschuldung aufweisen. In einer ökonometrischen Analyse entpuppt sich der Effekt der Verschuldung auf die Anzahl von ÖPP aber als insignifikant und zudem quantitativ unbedeutend.

 

Wolfgang Scherf: Grenzbelastungen im Länderfinanzausgleich

Wachsende Steuereinnahmen eines Bundeslandes oder seiner Gemeinden führen zu geringeren Ausgleichsansprüchen im Länderfinanzausgleich. Dadurch entstehen hohe Grenzbelastungen des Landeshaushalts und des Gesamthaushalts von Land und Gemeinden. Ihre quantitative Bestimmung erfordert keine Simulation des gesamten Länderfinanzausgleichs. Der Autor entwickelt ein Modell, das eine exakte und transparente Ermittlung der Grenzbelastungen mithilfe der Einwohnerzahlen der Bundesländer und der Einwohnergewichte bei den Länder- und Gemeindesteuern ermöglicht. Triebfeder der Spitzenbelastungen sind die neuen Bundesergänzungszuweisungen für unterproportionale Gemeindesteuerkraft. Ihre Abschaffung empfiehlt sich als erstrangige Reformoption für eine anreizfreundlichere Gestaltung des Länderfinanzausgleichs.

 

Caron Pomp, Stefan Zundel: Der Informationsgehalt von Indikatoren des Technologietransfers in peripheren Regionen

An Hochschulen wird vermehrt die Erwartung herangetragen, einen Beitrag zu regionalen Wirtschaftsentwicklung zu leisten. In diesem Kontext, der oft als Teil der so genannten Third Mission angesehen wird, wird auch gefordert, Output und Wirkung des Technologietransfers auf die regionale Wirtschaft durch Indikatoren möglichst gut zu erfassen. Eine Literaturauswertung liefert eine Liste jener Indikatoren, die in der Literatur zu diesem Zweck häufig angeführt werden. Diese Indikatoren können den Erfolg von Transferleistungen aber nur beschränkt abbilden, weil es eine Vielzahl von intermittierenden Faktoren gibt, die die Wirkung einer Hochschule auf die sie umgebende regionale Wirtschaft beeinflussen. Darüber hinaus muss eine schwache Performance von Hochschulen im Technologietransfer in peripheren Regionen nicht die mangelnde Leistungsfähigkeit einer dieser Hochschule signalisieren. Dafür können auch strukturelle Bindungsprobleme zur umgebenden Region und die fehlende Absorptionsfähigkeit der regionalen Wirtschaft verantwortlich sein.

 

Florian Follert, Eike Emrich: Zur Ökonomik des Falschparkens

Derzeit versucht eine Initiative verschiedener Organisationen, im Rahmen einer Petition für eine Erhöhung der Strafen für Falschparken zu werben. Der vorliegende Beitrag nimmt dies zum Anlass, die Hintergründe des Vorhabens ökonomisch zu analysieren. Dafür bietet sich die Theorie unerwünschter Handlungen an. Neben der gegenwärtigen Diskussion um höhere Strafen, zeigt der Beitrag anhand der ökonomischen Theorie auf, welche Parameter von staatlicher Seite genutzt werden können, um die Entscheidung eines potentiellen Falschparkers in die gewünschte Richtung zu lenken. Dies sind insbesondere die Entdeckungswahrscheinlichkeit, die Strafart, die Strafhöhe sowie die Gewissenskosten des potentiellen Falschparkers. Auf modelltheoretischer Ebene werden einerseits das Verhalten des potentiellen Falschparkers und andererseits das Verhalten der Kommune diskutiert. Der Aufsatz liefert insofern einen Beitrag zur Stadtökonomik und zeigt verkehrspolitische Implikationen auf.

 

Ines Nitsche, Jörg Döpke: Entscheiden Ökonomen anders? Ein Survey-Experiment zur Beurteilung des „Trolley Problems" aus Sicht verschiedener Studienrichtungen

Es wird oft vermutet, Studierende der Wirtschaftswissenschaften unterschieden sich in ihrem Verhalten von denen anderer Fachrichtungen. Das vorliegende Papier untersucht anhand eines Survey-Experiments an der Hochschule Merseburg, ob sich allgemeine ethische Einschätzungen nach den Fachrichtungen unterscheiden. Dazu wird die Bewertung einer bekannten ethischen Fragestellung – dem sogenannten „Trolley-Problem“ untersucht. Dabei wird auch geprüft, ob die Reihenfolge, in der die Varianten des Problems präsentiert werden, einen Einfluss auf dessen Beurteilung hat. Die Ergebnisse zeigen Differenzen der Studierenden der Sozial- und Kulturwissenschaften gegenüber den anderen untersuchten Fachrichtungen: insbesondere sind diese gegenüber einem utilitaristischen Kalkül ablehnender als Studierende mit wirtschaftlichem oder technischem Studienschwerpunkt.

 

Eugen Wendler: Was kann die heutige Wirtschaftswissenschaft von Friedrich List (1789-1846) lernen?

Das „Nationale System“ ist ein Torso geblieben, weil nur der erste Band mit dem Untertitel: „Der internationale Handel, die Handelspolitik und der Zollverein“ von List fertiggestellt werden konnte. In Wirklichkeit beabsichtigte er ein mehrbändiges Werk zu verfassen, wobei Band II den Titel „Die Politik der Zukunft“ erhalten sollte. Aufgrund der Entdeckung zahlreicher neuer Quellen aus Lists letzter Schaffensperiode, habe ich mir erlaubt, in Analogie zu Friedrich Engels, der die Bände II und III des „Kapitals“ von Karl Marx posthum herausgegeben hat, eine Publikation mit dem Titel „Friedrich List: die Politik der Zukunft“ (Wendler 2016, S. 28–33) zu verfassen, die bei Springer Gabler erschienen ist. Auf Teil I des ersten Kapitels dieses Buches stützen sich die ersten beiden Punkte des vorliegenden Artikels. Aus diesen theoretischen Überlegungen beruhen auch Lists Visionen bezüglich der von ihm erwarteten geopolitischen Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert. Diese habe ich in meinem jüngsten Buch mit dem Titel: „Friedrich List: Politisches Mosaik“ (Wendler 2017, S. 33–46) zusammengefasst. Darauf basiert der dritte Punkt dieses Beitrages, in dem seine globalen Visionen zur politischen und ökonomischen Lage und Entwicklung von Nord- und Südamerika, zu Afrika und Asien sowie zu Australien und Ozeanien dargestellt werden. Zurzeit erlangen Lists geopolitische Visionen insofern eine ganz besondere Aktualität, weil sich China und bis zu einem gewissen Grad auch Russland anschicken, die Strategie Englands aus dem 19. Jahrhundert zu übernehmen und vor allem in Afrika, dem Nahen Osten und in Europa „Stapelplätze“, also Stützpunkte anzulegen, um ihre Einflusssphären auszudehnen. Dieser geostrategische Paradigmenwechsel wird unseres Erachtens sowohl in der heutigen Wirtschaftswissenschaft, als auch in der Politik kaum beachtet und vielfach unterschätzt.

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