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List Forum 1/2021 (Sonderheft)

Gast-Editoren: Dominik Geppert, Hans Jörg Hennecke

Dominik Geppert, Hans Jörg Hennecke: Herkunft und Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft

Die Corona-Pandemie hat die stabilitätsverwöhnte deutsche Wirtschafts- und Sozialpolitik im Frühjahr 2020 vor eine gänzlich unerwartete Herausforderung gestellt. Ihre unmittelbaren konjunkturellen und arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen sind in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik allenfalls mit den Erschütterungen vergleichbar, die nach 2008 durch die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise ausgelöst wurden. Wie damals waren es nicht nur kurzfristige Auswirkungen wie das Hochschnellen der Kurzarbeit oder der Einbruch der Konjunkturindikatoren, an denen das Ausmaß der Krise abzumessen war. Es traten auch Fernwirkungen institutioneller und konzeptioneller Art ein, die die Wirtschafts- und Sozialordnung strukturell und dauerhaft verändern können.

 

Holger Löttel: Freiheit und Stabilität. Konrad Adenauers Blick auf die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungssystem der Bundesrepublik Deutschland

Das Bild des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer ist vor allem hinsichtlich seiner außen- und europapolitischen Vorstellungen scharf konturiert. Demgegenüber muss er als Wirtschaftspolitiker mit bestimmten ökonomischen und sozialpolitischen Prinzipien erst noch entdeckt werden. Der vorliegende Beitrag skizziert seine von der katholischen Soziallehre geprägten Grundvorstellungen und arbeitet die Leitlinien Adenauers hinsichtlich der Ordnungspolitik, der Konjunkturpolitik und des gesellschaftspolitischen Kontextes der Wirtschaftspolitik heraus. Die Wechselwirkung von politischer und ökonomischer Stabilisierung, wie sie Adenauer als eine der wichtigsten Herausforderungen seiner Zeit verstand, spielt dabei eine zentrale Rolle.

 

Richard Reichel: Ludwig Erhards Modell der Sozialen Marktwirtschaft

Der Beitrag beschreibt die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard und geht den historischen und wirtschaftsphilosophischen Wurzeln dieser Konzeption nach. Es wird gezeigt, dass Erhards Modell bis zum Ende der 1950er-Jahre systematisch realisiert werden konnte. Gegenwärtig ist die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik stark durch interventionistische und wohlfahrtsstaatliche Elemente geprägt, die mit Erhards Konzeption unvereinbar sind.

 

Michael von Prollius: Mehr Marketing als Prinzipientreue. Die Soziale Marktwirtschaft entsprach weder Erhards Intention noch neoliberalen Prinzipien

Entsprach die Soziale Marktwirtschaft jemals der Intention von Ludwig Erhard, dem Wirtschaftsminister, Bundeskanzler und Vater des Wirtschaftswunders? Skepsis ist angebracht. Es fehlte nicht nur ein klares Konzept. Vielmehr ist die Realisierung der Sozialen Marktwirtschaft mit zahlreichen fundamentalen Verstößen gegen zentrale Auffassungen Erhards und gegen liberale Prinzipien verbunden. Das vermeintliche liberale Wirtschaftswunder wies beträchtliche etatistische, durch Lobby-Interessen und staatliche Eingriffe gestaltete Zäsuren auf. Gleichwohl wäre Erhard heute als Wirtschaftsminister und Vizekanzler ein Segen.

 

Roland Tichy: Braucht Europa mehr Ludwig Erhard oder mehr Konrad Adenauer?

Ohne einen grundlegenden Konsens über die Ziele und Möglichkeiten von Politik zwischen Ludwig Erhard und Konrad Adenauer wäre die europäische Integration nicht die Erfolgsgeschichte geworden, die sie tatsächlich geworden ist. In den letzten beiden Jahrzehnten ist es durch die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion, durch fortschreitende Sozialharmonisierung und durch vermehrten wirtschaftspolitischen Interventionismus zu gravierenden Fehlentwicklungen gekommen. Ludwigs Erhards marktwirtschaftliches Integrationskonzept ist daher aktueller denn je.

 

Christoph M. Schmidt: Die Soziale Marktwirtschaft nach der Corona-Krise: Fit für den Systemwettbewerb im 21. Jahrhundert

Die Soziale Marktwirtschaft ist auch in Zeiten des verschärften Systemwettbewerbs mit den USA und China die geeignete Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für Deutschland und Europa, um die Volkswirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. Nur ein wirtschaftlich erfolgreiches Europa wird erfolgreich dabei mitwirken, das 21. Jahrhundert auf Basis der eigenen Werte als eine Ära der weltumspannenden materiellen Prosperität und ökologischen Nachhaltigkeit zu gestalten. Daher gilt es vor allem, die europäische Klimapolitik marktwirtschaftlich auszugestalten und die eigene Regeltreue und Vorbildlichkeit bei der Umsetzung globaler Vertragswerke mit hoher Bereitschaft zum Finanz- und Technologietransfer zu verbinden.

 

Paul Nolte: Kompensation und Stabilisierung

Soziale Marktwirtschaft bezeichnet für die Geschichte der Bundesrepublik keine reale, sondern eine diskursive Ordnung. In der Corona-Pandemie folgte die Politik bislang einer hyperkeynesianischen Prämisse: Der Staat sieht sich in der Verantwortung, die ökonomische Krise bis zur Unspürbarkeit auszugleichen. Die Kosten dieser Stabilisierungspolitik sind noch nicht erkennbar. Die Corona-Krise kann zum Katalysator eines Ausbaus des Sozialstaats und der Umwelt- und Klimapolitik werden.

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