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List Forum 1-4/2023

Matthias Brachert & Mirko Titze: Stärken und Schwächen regionaler Innovationssysteme in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen in Deutschland

 

Der Beitrag analysiert regionale Innovationssysteme in den Regionen Deutschlands, die aufgrund der Gesetzeslage bis zum Jahr 2038 den Ausstieg aus der thermischen Verwertung der Braunkohle vollzogen haben müssen. Viele dieser Regionen weisen ohnehin Strukturschwächen auf. Es stellt sich die Frage, ob und wie regionale Strukturpolitik dabei helfen kann, die Transformation der regionalen Wirtschaft zu meistern. Ein guter Anknüpfungspunkt besteht darin, regionale Innovationssysteme in ihrem Wandel zu stärken. Im Vergleich der drei betroffenen Reviere zeigt sich insbesondere für die Lausitz, dass bisher die Hochschulen insgesamt wenig vernetzt sind und Kontakte zur regionalen Wirtschaft unterentwickelt sind. Eine Stärkung von Innovationskooperationen kann daher zusätzliche Impulse für die regionale Entwicklung der Reviere liefern.

 

Stefan Zundel & Marius Nagel: Intelligente Spezialisierung in der brandenburgischen Lausitz – eine Fallstudie

Intelligente Spezialisierung ist eine politische Handlungsempfehlung, die seit mehreren Jahren die Regionalpolitik der Europäischen Union bestimmt. Der Just Transition Fund, der die Transformation in den Kohleregionen der EU erleichtern soll, erfordert einen Just Transition Plan, der ebenfalls auf dem Konzept der intelligenten Spezialisierung aufbaut. Die Empfehlung basiert auf der Annahme, dass sich auch in peripheren und wirtschaftlich schwachen Regionen endogene Entwicklungspotentiale finden, die sich durch eine geschickte regionale Förderung, die auf diese Eigenheiten abstellt, entwickeln lassen. Die empirischen Befunde in dieser Fallstudie zur Lausitz zeigen, dass jenseits des Energiebereiches in der Lausitz keine wirtschaftlichen oder innovativen Potenziale im Sinne kritischer Massen vorhanden sind, auf die sich zwanglos aufbauen ließe. Potenziale ergeben sich hingegen durch überregionale Arbeitsteilung, durch den Aufbau kritischer Massen in der Forschung, die Unternehmen in die Region ziehen können, und die Adressierung regionaler Problemlagen wie zum Beispiel einer prekären Daseinsvorsorge im Gefolge der demografischen Entleerung der Region. Endogene Entwicklungspotentiale im Sinne innovativer KMU gibt es; sie dürften allein allerdings nicht ausreichend für eine Kompensation der wegfallenden Arbeitsplätze in der Braunkohleverstromung sein.

 

 

Caron Pomp: The Regional Innovation System and Smart Specialisation in the “energy region” Lusatia

Die Lausitz, eine ländlich-periphere Region in Ostdeutschland, ist durch den geplanten Ausstieg aus der Braunkohleförderung vom Strukturwandel betroffen. Vor dem Hintergrund der EU-Strategie „Smart Specialisation“ (S2) müssen die Strukturwandelmittel dort investiert werden, wo sie das Regionale Innovationssystem (RIS) der Lausitz stärken können. Aufgrund der Geschichte der Lausitz scheint Energie ein vielversprechendes Thema für S2 zu sein. Es ist jedoch fraglich, ob es in der Region eine kritische Masse an Akteuren und Forschung zu Energiethemen gibt, die regionale Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen könnte. Dieser Beitrag befasst sich mit dieser Frage, indem er den aktuellen Stand des RIS der Lausitz und die Potenziale für S2 analysiert. Für meine Analyse verwende ich empirische Daten der statistischen Ämter und aus dem Förderkatalog sowie Daten über neue Forschungsprojekte und -institute. Die gesammelten Daten legen nahe, dass das RIS der Region eher dünn ist. Das proklamierte Bild einer „Energieregion“ spiegelt sich zwar noch nicht in den Daten wider, das kann sich durch das Strukturwandelprogramm und die strategische Ausrichtung der Region jedoch ändern. S2 könnte erfolgreich sein, wenn die neuen Institute und Forschungsprojekte die Anwerbung von Fachkräften und Unternehmen ermöglichen und gleichzeitig die Absorptionskapazität der bestehenden Unternehmen in der Region erhöhen. Der Aufbau einer kritischen Masse für Zusammenarbeit und Innovation ist zumindest in den größeren Städten wie Cottbus möglich. Das Monitoring und der Bewertung der Auswirkungen der investierten Mittel wird von entscheidender Bedeutung sein.

 

 

Annika Bode, Steven Salecki & Bernd Hirschl: Unlocking local value-added opportunities in the energy transition in former coal regions—the case of Lusatia (Lausitz)

 

The main result of this study is that Lusatia, as an energy transition and structural change region, still has high expansion potential for photovoltaic and wind energy systems. In 2040, electricity production from wind turbines could reach four times the current level. In the case of photovoltaic systems, around seven to eight times the current level is possible. Only in the area of biomass has the expansion potential already been largely exhausted. The building sector can also contribute to achieving climate neutrality. If the renovation rate is significantly increased to 3.3% per year by 2040, the required heating energy can be reduced by around 60%.

At the same time, these energy transition scenarios are evaluated with regard to their regional economic opportunities for Lusatia. In an ambitious climate neutrality scenario, around 450 million euros in regional added value can be generated in 2040 and around 3560 full-time jobs can be filled. In order for this to succeed, however, the citizens and municipalities must first be given more opportunities for financial participation through appropriate framework conditions at federal and state level. We see financial benefits for the population and the municipalities as a critical success factor in order to be able to provide the necessary space, initiate investments and ultimately contribute to local acceptance.

 

Smaranda Sgarciu, Felix Müsgens, Sebastian Osorio & Michael Pahle: Is Germany on track to achieve 2030 climate and energy targets?

 

It is unclear how CO2 emissions in the German electricity sector will develop until 2030. On the one hand, the amendment in the Climate Change Act (as of August 2021) aims to tighten the emission reduction targets, fostering the pathway towards a decarbonised energy system. On the other hand, the complex interplay between the main instruments used to mitigate carbon emissions, fuel prices and the latest energy scarcity as a result of Russia’s war in Ukraine generates pressure for increased emissions.

Using an energy system model parametrised to reflect the 2021 energy market situation i.e., before Russia’s attack, our study investigates the possibility that Germany will meet its 2030 climate targets. We then provide a qualitative analysis on how results can change in light of recent events. We suggest establishing a carbon price floor that can be dynamically changed in response to the evolution of other market forces and policies. This instrument would institutionalize a more credible path towards decarbonization and offer investors certainty.

 

Michael Broer: Kinderbonus 2021 vs. Kinderbonus 2022: Unterschiedliche Kompensationslösungen des Bundes und ihre Auswirkungen auf die Einnahmen der Länder (inklusive Gemeinden)

 

Der Bund hat in den letzten Jahren mehrmals einen Bonus aus Mitteln der Lohn- und Einkommensteuer für jedes Kind gezahlt, was aufgrund der prozentualen Beteiligung an diesen Steuern zu Mindereinnahmen bei Ländern und Gemeinden geführt hat. Die Bundesländer inklusive ihrer Gemeinden sind unterschiedlich von den Mindereinnahmen betroffen. Dies liegt einmal daran, dass sich die Zahl der Kindergeldkinder zwischen den Bundesländern unterscheidet. Es liegt aber auch daran, dass der Kinderbonus wie Kindergeld behandelt wird und somit die steuerliche Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge mindert. Die Wirkung der Kinderfreibeträge ist wiederum von der Einkommenshöhe abhängig, die ebenfalls zwischen den Bundesländern differiert.

Da der Bund sich bereit erklärt hat, diese Kinderbonuszahlungen in voller Höhe zu tragen, wurden Kompensationsgelder gezahlt, mit denen die Mindereinnahmen von Ländern und Gemeinden nahezu vollständig kompensiert wurden. Für die Verteilung dieser Kompensationsmittel auf Länder und Gemeinden sind zwei verschiedene Mechanismen angewendet worden. Diese beiden Ansätze führen zu unterschiedlichen Verteilungseffekte, wobei zwischen direkten Effekten (Verteilungsmechanismen der Mittel auf die Gebietskörperschaften) und indirekten Effekten (Länderfinanzausgleich) zu unterscheiden ist. In diesem Beitrag wird untersucht, welcher der beiden Ansätze zu einer genaueren Kompensation bei den Bundesländern inklusive der jeweiligen Gemeindeebene in dem Sinne führt, dass die Differenz bei den Einnahmen je Einwohner im Vergleich zur Situation ohne Kinderbonus gering gehalten wird.