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List Forum 3/2019

Dirk Loerwald: Ökonomische Bildung in Deutschland

Seit vielen Jahrzehnten wird in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik die Frage diskutiert, ob und in welcher Form ökonomische Bildung ein integraler Bestandteil von Allgemeinbildung sein soll. Im Vergleich zu Schulfächern wie beispielsweise Geschichte, Erdkunde, Musik oder Biologie ist die Situation für die ökonomische Bildung sehr heterogen. Jedes Bundesland geht eigene Wege. Im Ergebnis verlassen manche Schülerinnen und Schüler die weiterführenden Schulen mit ökonomischen Grundkenntnissen, viele andere haben Ökonomie in ihrer Schullaufbahn eher in homöopathischen Dosen erfahren. Mit Blick auf die augenscheinliche Relevanz von Wirtschaft für Individuen und Gesellschaft sollte das nachdenklich stimmen. Aufgrund der heterogenen Situation und der zum Teil defizitär verankerten ökonomischen Bildung im allgemeinbildenden Schulwesen hat sich Ende 2019 das Bündnis für Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB) gegründet. Als Netzwerk von Lehrkräften, Verbänden, Wirtschaft und Wissenschaft setzt sich dieses Bündnis für die Stärkung der ökonomischen Bildung ein. Konkret wird eine nationale Strategie für ökonomische Bildung in Deutschland gefordert, die bundesweit eine hinreichende Verankerung in den Lehrplänen und eine fachlich und fachdidaktisch fundierte Ausbildung von Lehrkräften gewährleistet. Zu diesem Bündnis gehören mittlerweile ca. 70 Institutionen und die Grundposition ist in einem Eckpunktepapier nachzulesen, das in dieser Ausgabe des LIST-Forums abgedruckt ist. Die in diesem Papier sehr verdichtet zusammengetragenen Eckpunkte basieren auf z. T. umfassenden fachdidaktischen Argumenten, die in jahrelangen Diskursen entwickelt wurden. Die Grundzüge dieser Diskurse sollen im vorliegenden Beitrag entfaltet werden, womit eine fachdidaktische Einordnung vorgenommen werden kann.

 

Mark A. Andor, Manuel Frondel, Marco Horvath, Tobias Larysch, Lisa Ruhrort: Präferenzen und Einstellungen zu vieldiskutierten verkehrspolitischen Maßnahmen: Ergebnisse einer Erhebung aus dem Jahr 2018

Der Autoverkehr ist in vielen Städten zu einer hohen Belastung geworden. Um die Alternativen zum Autoverkehr zu stärken, kursiert eine Vielzahl von Vorschlägen, etwa der Ausbau von Fahrradwegen, wenn nötig auch auf Kosten des Autoverkehrs. Dieser Beitrag präsentiert die Ergebnisse einer Erhebung unter knapp 7000 Haushaltsvorständen aus dem Jahr 2018, mit der die Zustimmung zu derartigen Vorschlägen eruiert wurde. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind zwiespältiger Natur. Einerseits stimmt beispielsweise die absolute Mehrheit von 69 % der Befragten für die Ausweisung von für Busse reservierter Fahrstreifen auf staubelasteten Straßen und knapp die Hälfte ist für Fahrverbote für Fahrzeuge, die Schadstoffgrenzwerte überschreiten. Andererseits ist die absolute Mehrheit von 57,3 % der Befragten gegen höhere Kosten für das Parken in Innenstädten und knapp die Hälfte lehnt ein Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 ab.

 

Martin Beznoska, Tobias Hentze: Entstehung und Verwendung des zusätzlichen Spielraums im Bundeshaushalt in den Jahren 2013 bis 2018

In den vergangenen Jahren zeigte sich beim Bundeshaushalt stets das gleiche Bild: Die tatsächlichen Zinsausgaben fielen geringer aus als geplant und die Einnahmen stiegen stärker als von der Bundesregierung angenommen. Beide Entwicklungen verschafften dem Bund neue Handlungsspielräume. In den Jahren 2013 bis 2018 summierte sich der zusätzliche Spielraum auf rund 89 Mrd. €, wovon rund 60 % den geringer ausgefallenen Zinsausgaben und 40 % höheren Einnahmen zuzurechnen sind.

Den zusätzlichen Spielraum nutzte die Bundesregierung wiederum zu 60 % für neue Ausgaben, mit dem Rest baute sie eine Rücklage auf. Dabei wurden insbesondere die Ausgaben für Verteidigung und Verkehr im Haushaltsvollzug kontinuierlich im Vergleich zur Planung erhöht. Die Sozialausgaben leisteten in den Jahren 2013 und 2014 einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, indem die tatsächlichen Ausgaben unter den angesetzten Ausgaben lagen. Dagegen erhielt der Aufgabenbereich in den Jahren 2015 bis 2017 mehr Geld als geplant gewesen war. In den Jahren 2016 bis 2018, in denen die Ausgabenpolitik expansiver ausgerichtet war als in den Jahren 2013 und 2014, flossen zudem erheblich höhere Mittel in die Bereiche innere Sicherheit, Entwicklungshilfe und Bauwesen. Für Forschung und Bildung wurde insgesamt ebenfalls mehr als geplant ausgegeben, in den Jahren 2017 und 2018 wurden die Ansätze der Haushaltsplanung jedoch nicht erreicht. Dagegen musste die Wirtschaftsförderung als einziger Aufgabenbereich in jedem Jahr des Betrachtungszeitraum mit weniger Finanzmitteln als geplant auskommen.

 

Annika Stöhr, Oliver Budzinski, Jörg Jasper: Die Neue E.ON auf dem deutschen Strommarkt – Wettbewerbliche Auswirkungen der innogy-Übernahme

Der Deal der beiden größten deutschen Energielieferanten RWE und E.ON zum Tausch verschiedener Geschäftseinheiten, welcher Mitte September 2019 genehmigt wurde, wird den deutschen Energiemarkt wesentlich umstrukturieren und sowohl im Bereich Erzeugung als auch im Vertrieb zu jeweils einem dominanten Wettbewerber führen. E.ON wird dabei durch die Übernahme der innogy Geschäfte im Bereich des klassischen Energievertriebs und der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wesentliche Wettbewerbsvorteile erhalten. Dazu zählt unter anderem der Zugang zu einer Vielzahl an Messstellen und damit Datensätzen im Bereich des Haushalts- und Geschäftskundenvertriebs. Die Auswertung und Nutzung dieser Datensätze eröffnet dem zusammengeschlossenen Unternehmen neue Geschäftsfelder, aber auch Möglichkeiten die dominante Stellung auf dem Markt zu missbrauchen. Dieser Beitrag widmet sich den potenziellen Auswirkungen der innogy-Übernahme durch E.ON in den Bereichen klassischer Vertrieb und E‑Mobilität, in welchen die angesprochenen Aspekte der Datenökonomik eine wesentliche Rolle spielen. Des Weiteren werden die Auswirkungen der Marktumstrukturierung auf den Konzessionsmarkt betrachtet und die politökonomische Dimension des Zusammenschlusses erläutert. Wir schließen mit einer Kurzanalyse der Erlaubnisentscheidung und der damit verbundenen Auflagen und kommen zu dem Schluss, dass diese nicht geeignet sind, die erheblichen anti-kompetitiven Auswirkungen des Zusammenschlusses einzudämmen oder zu verhindern.

 

Tobias Thomas, Philipp Koch, Wolfgang Schwarzbauer: Mieterparadies Österreich? Mythos und Realität

Gerade in attraktiven Lagen von Großstädten wie Berlin oder international London oder Paris steigen die Mieten. Das hat vielerorts eine Debatte um bezahlbaren Wohnraum und entsprechende politische Maßnahmen ausgelöst. Was bei der öffentlichen Debatte in Deutschland auffällt ist, dass Österreich und im Speziellen Wien häufig als beispielhaft für eine gelungene Wohnungspolitik genannt werden. Allerdings scheint es dabei nicht selten der Fall zu sein, dass Wien zwar gerne als Beispiel genutzt wird, die aktuelle Verfassung und die Komplexität des österreichischen Wohnungsmarkts hingegen weniger bekannt sind. Auch liegt die Wohnkostenbelastung zwar auf einem niedrigeren Niveau als in Deutschland, allerdings steigen die Mieten in Österreich im Durchschnitt kräftiger. Betrachtet man die Entwicklung der Bruttomieten pro Quadratmeter seit 2005, so sind diese im Österreichschnitt um nominell 47 % gestiegen. In Deutschland hingegen stiegen die Bestandsmieten zwischen 2005 und 2017 lediglich um 16 %. Selbst die Neumieten stiegen mit 42 % weniger kräftig als die durchschnittlichen Bruttomieten in Österreich. Dabei entwickelten sich die Bruttomieten in Wien mit 55 % überdurchschnittlich. In der Folge werden derzeit auch in Österreich Mietpreissteigerungen und Maßnahmen zu deren Dämpfung kontrovers diskutiert. Die steigenden Mieten sprechen nicht für die Wirksamkeit bestehender Maßnahmen im Hinblick auf den langfristigen Trend zur Mietenpreissteigerung. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob Österreich und Wien tatsächlich als Vorbilder für die Wohnungspolitik zur Dämpfung der Mietpreissteigerung in Deutschland dienen sollten.

 

Florian Follert, Eike Emrich: Was wäre wenn ...? Ein mikroökonomisches Gedankenexperiment zu einer Superliga im europäischen Fußball

Jüngst veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Spiegel Enthüllungen der Plattform „Football Leaks“, welche auf Absprachen europäischer Spitzenklubs zwecks Gründung einer privatrechtlich organisierten Superliga schließen lassen. Mit Blick auf die mikroökonomischen Auswirkungen für die Bundesliga sowie die weiteren Akteure DFB, DFL e. V. und UEFA besteht im ökonomischen Schrifttum – nicht zuletzt aufgrund der Aktualität des Themas – Forschungsbedarf. Der vorliegende Beitrag führt eine Art ökonomisches Gedankenexperiment durch, indem angenommen wird, dass es zu einer Superliga im europäischen Vereinsfußball kommt. Einerseits werden die zu erwartenden Auswirkungen auf die Nachfrage und andererseits mögliche institutionelle Folgen diskutiert. Die Erkenntnisse des Beitrags können von Fußballfunktionären im Rahmen ihrer sportpolitischen Entscheidungen genutzt werden.

 

Eugen Wendler: Was kann die heutige Wirtschaftswissenschaft von Friedrich List (1789–1846) lernen? Teil V: Friedrich List und die europäische Integration

Im Jahre 1989 habe ich anlässlich des 200. Geburtstages von Friedrich List versucht: „Die Politische Wirkungsgeschichte des Vordenkers der europäischen Integration“ (Wendler 1989, S. 183–224) zu erforschen und darzustellen. Da zu dieser Zeit noch der Eiserne Vorhang bestanden hatte, gestaltete sich die Quellenbeschaffung vor allem im sog. Ostblock äußerst mühevoll und zähflüssig. Deswegen ist dieser Versuch auch nicht zu meiner vollen Zufriedenheit ausgefallen. Immerhin war ich bemüht, die Originalquellen von List aufzuspüren, in denen er sich für die europäische Integration ausgesprochen hat. In meiner Schrift: „Friedrich List im Zeitalter der Globalisierung“ (Wendler 2014, S. 65–78) habe ich dieses Thema noch einmal aufgegriffen und durch neue Belege und Erkenntnisse angereichert. Auf beiden Untersuchungen baut der vorliegende Beitrag auf. Dabei werden die Integrationsidee von Friedrich List, seine publizistische Umsetzung des Europagedankens, die wirtschaftliche Integration der europäischen Staaten, die politische Vereinigung in Europa sowie Lists Bemühungen um eine deutsch-englische Allianz behandelt. Alle diese Ideen gewinnen angesichts der Krise der Europäischen Union und nach dem Brexit-Referendum ganz neue Aktualität. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich List hierzu für eine enge Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland ausgesprochen, wie sie gegenwärtig wieder neu geschmiedet wird. Diese Weitsicht erscheint angesichts der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden „Erbfeindschaft“ und deren furchtbaren Folgen besonders beeindruckend und bemerkenswert.

 

Susanne Cassel, Tobias Thomas: Soziale Probleme nicht durch Staatliche Preise verschärfen

  • Politikanalyse

    • Staatliche Eingriffe in den Preismechanismus nehmen in jüngerer Zeit zu.

    • Die Verteilungsfunktion der Preise dominiert die öffentliche Diskussion, während die Lenkungsfunktion meist unberücksichtigt bleibt.

    • Die Politik schätzt Eingriffe in den Preismechanismus, da sie Umverteilung ohne Mehrausgaben versprechen.

  • Politikempfehlung

    • Staatliche Eingriffe in den Preismechanismus unterlassen.

    • Für funktionierenden Wettbewerb und Lenkungsfunktion der Preise sorgen.

    • Gesellschaftlich unerwünschte Verteilungsergebnisse durch Steuer- und Transfersystem korrigieren.

 

Susanne Cassel, Tobias Thomas: Lebenszufriedenheit durch Arbeit und Wohlstand schaffen

Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind derzeit so zufrieden wie nie. Seit 2004 ist die Zufriedenheit kontinuierlich angestiegen und es findet auch eine Angleichung zwischen Ost- und Westdeutschland statt. Dabei zeigt sich, dass mehr Einkommen zufriedener macht und positive Nebeneffekte mit sich bringt: Mehr Wohlstand kann in einer Gesellschaft zu mehr Sicherheit, besserer Gesundheit, höherer Lebenserwartung oder mehr Bildung beitragen. Einer der wichtigsten Gründe für Unzufriedenheit ist wiederum die Arbeitslosigkeit. Die gute Arbeitsmarktsituation dürfte daher ein wesentlicher Grund für die aktuell hohe Lebenszufriedenheit sein. Um diese zu sichern und auszubauen, sollte die Politik wachstums- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen und die Arbeitsmarktpolitik darauf ausrichten, die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten und Arbeitslose möglichst schnell wieder in Arbeit zu bringen.

Verantwortlichkeit: